Der 10. Tag

Fasten ist stiller, dosierter, zeitlich begrenzter und willensstarker Verzicht; es ist ein Anschlag auf die Maßlosigkeit des Zeitgeists,

schrieb Frank Berzbach, und das war einer der Anlässe, mal ernsthaft über eine Fastenzeit nachzudenken. Ein zweiter fand sich in den inspirierenden Angeboten des Vereins Andere Zeiten e.V., der neben einem inspirierenden Adventskalender auch Veröffentlichungen zur Fastenzeit herausgibt.

So ist es nun also zehn Tage her, dass ich mich mit diesem Beitrag von Facebook verabschiedete - der Auftakt zu meiner persönlichen Fastenzeit 2017. Neben Prokrastination in den Sozialen Netzwerken verzichte ich sieben Wochen auch auf Genussmittel (Alkohol, Süßigkeiten, Kuchen), Fleisch und den Neuerwerb von Büchern. Auf die Süße im Leben.

Warum? Ich möchte mich freilegen, beobachten, neu kennenlernen; möchte wieder offen werden für Begegnungen und Situation, möchte mich darin üben, das Leben zu umarmen, wie es ist. Ich möchte mich üben, verbindlich zu leben: im Dialog mit, in Verantwortung gegenüber dem, was ist. Unabhängig von meinen Vorlieben und Abneigungen, von meinen Gewohnheiten und Stimmungen, von meinem Denken und meiner Meinung.

Bar aller Gewohnheiten wird das Leben ungewohnt

In den zehn Tagen habe ich unerwartet stark mit Enttäuschungen und Erschöpfung zu kämpfen. Bar aller Gewohnheiten wird das Leben ungewohnt. Ohne süße Pause und virtuellen Zeitvertreib besteht Arbeit plötzlich aus nichts anderem mehr als aus Arbeit; ohne das gewohnheitsmäßige Glas Wein am Abend stellt sich schnell auch mal die Frage: Was mache ich jetzt eigentlich? Und wo keine neuen Bücher am Horizont auftauchen, lasse ich mir plötzlich viel mehr Zeit für die Bücher, die schon seit Wochen auf dem Tisch liegen.

Es ist eine Einübung in ein Leben im Diesseits: der Verzicht auf Erwartungen und Wertungen, auf Zeitvertreib und Ablenkung. In den Vordergrund drängen schnell Müdigkeit und Traurigkeit - aber auch eine sehr einfache, sehr ruhige Freude. Man könnte auch Zufriedenheit dazu sagen. Oder Geborgenheit.

Zwischenfazit

Es fällt mir nicht schwer zu verzichten. Nichts fehlt mir. Ich kann mir nur die Dinge, das Leben, die Situation, wie sie ist, nicht mehr so gut vom Leib halten. Vieles erscheint schwer, trostlosiger, trauriger; beim näheren Hinsehen fühlt es sich allerdings vielleicht auch nur ehrlich an.

Es streiten sich die Sorgen, die Ängste, die Zweifel und die eingeübten Reflexe um meine Aufmerksamkeit. Immer wieder verfange ich mich in ihnen. Da bin ich ganz der Alte.

Und dann spüre ich den Boden, auf dem ich stehe. Offen werden. Furchtlos leben. Die Kontrolle aufgeben. Loslassen. Einlassen.