Briefe aus der Bretagne (1)

Es war 1996. Ich saß mit einem Freund und der obligatorischen Flasche Rotwein an einem Strand an der Südküste der Bretagne. Ein weiterer Tag unserer Fahrradtour durch Westfrankreich ging mit Blick auf die untergehende Sonne zu Ende; wie jede Nacht würden wir am Strand schlafen und schon früh am Morgen wieder unterwegs sein. Ausgelassenes Familienleben auf dem während der Ebbe zusehends breiter werdenden Strand: so wollte auch ich einmal hierher zurückkehren.

20 Jahre später: 1500 Kilometer, davon knapp 1000 auf meist erstaunlich geraden französischen Straßen, liegen hinter uns. Am Ende eines verregneten Samstags fahren wir geradewegs in den blauen Himmel: während über dem Land um uns herum der Regen niedergeht, scheint am Hafen von Ploumanac'h die Sonne.

Nachdem wir das Auto geparkt haben, geht der Spaß erst richtig los. Während des Abendbrots in der Crèperie am Hafen zieht sich die Sonne zurück. "Le vent se lève", lacht der Kellner mit Blick auf die vom Wind über die Straße geschleuderten Speisekarten. Dann ein erster Ausflug auf den sentier des douaniers. Die sich am Ende der Straße erhebenden Granitfelsen sorgen für hemmungslose Begeisterung des Kindes und einen unvermittelten Anstieg unseres Adrenalin-Levels. Binnen fünf Minuten wird dieser Urlaub vom Kind "zum besten aller Zeiten" gekürt.

Die Ebbe ist in vollem Gange. Hin und wieder erscheint das Kind zwischen den Felsen am Plage de St. Guirec. Stetig geht der der Wind. Ruhig ist es hier, vor Beginn der Saison sowieso, eine Idylle im Abendschein. So wollte ich hierher zurückkehren, meine ich mich zu erinnern: Wie an einen Traum, den ich vor 20 Jahren von diesem Abend geträumt. Nun sind wir da. Am Strand sitzend, neben mir eine Flasche Cidre, schaue ich über den Strand hinweg meinem Kind zu, wie es die Welt vergisst.