Die Verpflichtung
“Wir hatten keine Ahnung, wie es dazu gekommen war, aber als wir aufwachten, lag vor dem Hotel ein totes Pferd auf der Straße.“
Ein Romananfang, der ein wenig an den Beginn von Franz Kafkas Verwandlung erinnert. Gregor Samsa wusste ja auch nicht so recht, wie und warum ihm geschieht. In Gregory Galloways Krimi Noir Die Verpflichtung verbringt der Einbrecher Rick einen Großteil der Zeit damit, dahinter zu kommen, was eigentlich vor sich geht – und verliert sich zunehmend in einem undurchschaubaren Machtspiel einer aus dem Unsichtbaren agierenden Organisation. Kafkaesk, absurd und von tiefer Verzweiflung durchzogen ist dieser Roman, der sich gleichzeitig respektvoll an die Klassiker des Genres lehnt.

Der Auftrag: ein Pokal in Form einer Ziege soll gestohlen werden. Wie in Dashiell Hammetts Malteser Falke ist dieser MacGuffin nur der Auslöser für eine Krimihandlung, die ihren Protagonisten immer weiter in die Enge treibt. Ricks Biographie, in Rückblenden erzählt, ist eine Ansammlung von Unglücksfällen. Angefangen beim frühen Tod der Mutter und die schwierige Beziehung zum korrupten Vater, blickt Rick auf eine gescheiterte Ehe und eine kaum erreichbare Tochter sowie auf eine Drogensucht, aus der ihn sein jetziger Partner Frank gerettet hat. Und just dieser Frank verschwindet, kurz nachdem die beiden den Pokal gestohlen haben.
“Seit er nicht mehr da war, war auch ich weg. Ich hatte alles verloren und wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wusste nicht mehr, wie man isst, schläft, aufwacht, geht, liest, denkt, sich bewegt, nichts.“
Frank und Rick haben für einen Auftraggeber namens Froehmer gearbeitet, für den schon Ricks Vater tätig war. Und Froehmer hat Rick „im Griff“, wie es so schön heißt. Als auch noch ein Mord geschieht, gerät Rick zwischen alle Fronten: er versucht, Franks Verschwinden aufzuklären, Froehmers Erwartungen und Anforderungen gerecht zu werden und nicht in die Fänge der Cops zu geraten. Aber schon bald wird ihm klar: „Irgendjemand spielte mit mir.“ Wer hier mit wem spielt, und worum es in diesem Spiel eigentlich geht: das sind nur ein paar der Fragen, die Die Verpflichtung aufwirft.
“Die Welt ist weder bedeutsam noch absurd. Das ist das Besondere an ihr.“
Rick versucht sich in einer Welt zu orientieren, die für ihn ohne Bedeutung ist. Er hat nicht nur alles verloren – vielleicht hat er nie etwas besseren. Vielleicht hatte er noch nie die Kontrolle über sein Leben. Seine Arbeit als Auftragsdieb – der nicht stiehlt, um etwas zu behalten – erscheint wie ein existentieller Akt des Protests gegen eine Welt, zu der er nie gehörte. “Niemandem gehört irgendwas, es geht einfach nur durch unsere Hände,“ zitiert er seinen Partner, Freund, Geliebten. Dessen Verschwinden hat ihn auf seine nackte Existenz zurückgeworfen. In Ricks verzweifelten Versuchen, das verlorene Leben wiederzuerlangen, kombiniert Gregory Galloway auf fesselnde Weise einen klassischen Whodunnit mit einem kafkaesken Verwirrspiel und einer existentialistischen Betrachtung über die menschliche Gier und die Sehnsucht nach Liebe.