Heat 2

Heat (1995)

Ende des Jahres habe ich mir Zeit genommen für diesen Filmklassiker, einen der ikonischen Filme der 1990er Jahre, auf den sich wohl ziemlich viele einigen können: geschlagene drei Stunden braucht Michael Mann, um das Duell zwischen Robert de Niro und Al Pacino in bezwingender Langsamkeit in Szene zu setzen. Wie sich Ermittler Vincent Hanna und Gangsterboss Neil McCauley im Laufe der Geschichte einander anähneln, bis die Konturen zwischen beiden verschwimmen, hat auch 28 Jahre später nichts von seiner Magie verloren.

Die drei Stunden Zeit, gefüllt mit für heutige Sehgewohnheiten erholsam langen Einstellungen und detailgenauer Inszenierung, sind natürlich ein Luxus, den man sich gönnen sollte, um gut vorbereitet in Heat 2 einzusteigen. Ja richtig: Michael Mann, demnächst 80 Jahre alt, hat nachgelegt. Allerdings (vorerst) nicht in Filmform, sondern als Buch. Zusammen mit der Autorin Meg Gardiner hat er eine Fortsetzung seines wohl erfolgreichsten Films geschrieben, die mit 700 Seiten wiederum einige Zeit für sich in Anspruch nimmt.

Heat 2 (2022)

Michael Mann, Meg Gardiner: Heat 2. Harper & Collins 2022

Währen der Film 1995 in eine extrem verdichtete Duellsituation hineinzoomt, sich völlig in die Gegenwart einer Konfliktsituation begibt, nimmt Mann in seinem Buch die ganze große Geschichte in den Blick: er beginnt nahtlos dort, wo der Film endete, und verfolgt die Geschichte des einzigen Überlebenden Chris Shiherlis weiter – gleichzeitig geht er zurück ins Jahr 1988 und erzählt die Vorgeschichte der Gang um McCauley.

Dieser traf nämlich damals schon in Chicago (beinahe) auf den Cop Hanna. McCauley erweist sich in dieser Geschichte als ein Verbrecher mit Stil und Ethos, der klug und berechnend agiert, umsichtig alle Risiken berechnet und Verantwortung für seine Leute übernimmt. Anders dessen eigentlicher Gegenspieler in diesem Buch: Otis Lloyd Wardell zieht mit sadistischen, grauenvollen Morden eine Blutspur durch die Handlung, die im entscheidenden Moment den Weg von Neil McCauley kreuzen wird. Eine in seiner Schicksalhaftigkeit erschütternde Tragödie, die den Charakter von McCauley im 95er Film noch einige dramatische, vielleicht auch melodramatische Seiten hinzufügt. Ob es die wirklich braucht?

Nicht so richtig gebraucht hätte es die Geschichte von Chris Shiherlis, der nach dem Tod von McCauley nach Paraguy flieht und sich dort in einem Gangstersyndikat hocharbeitet. Die Geschichte zielt irgendwie auf die veränderten Bedingungen von Kriminalität im 21. Jahrhundert, kann aber mit seiner Mischung aus Cyberkriminalität und abstrakter Wirtschaftslogik nicht so richtig überzeugen.

Auch sprachlich erweist sich der Krimi stellenweise als erstaunlich flach. Mit einer fast technisch anmutenden Beschreibungsprosa liegt der Verdacht nahe, dass im Roman die Drehbuchvorlage schon mitgedacht ist. Heat 2 ist also größtenteils fesselndes Kino in Buchform, auf dessen Verfilmung man sicherlich nicht lange warten muss. Und mit seinen vielfachen Zeitebenen wie geeignet für serielles Erzählen, das dem klassischen Kinofilm gerade im Krimi-Genre langsam aber sicher den Rang abläuft.