Riot Girl
Susanne Kaiser hat bisher vorwiegend als Journalistin gearbeitet. Einer ihrer Schwerpunkte liegt auf Machtverhältnissen zwischen Männern und Frauen. Es wundert also nicht, dass ihr Debüt-Roman Riot Girl akribisch recherchiert ist und viele Hintergrundinformationen zu aktuellen gesellschaftlichen Themen zwischen #metoo, Feminismus und Protest in den sozialen Netzwerken bereithält. Nicht selbstverständlich aber ist, wie gut geschrieben und spannend dieser in München spielende Thriller daherkommt.
Die verdeckte LKA-Ermittlerin Obalski wird in der bayerischen Landeshauptstadt im Jugendamt eingeschleust. Während sie in den wenigen Tagen der Romanhandlung versucht, ihre Tarnidentität vor den beiden Kolleginnen im Büro geheim zu halten, nutzt sie ihr ungewöhnliches Know-How aus Gender Studies, Forensik und psychologischem Profiling vor allem, um einer sich in den sozialen Medien formierenden Jugendbewegung auf die Spur zu kommen: den „Influenzas“. Immer stärker wird sie in einen Strudel von sich zuspitzenden Ereignissen hineingezogen, als Mädchen Kontakt zu ihr suchen, die sich scheinbar selbst Verletzungen zugefügt haben – ein Zeichen für erlittenen Missbrauch und verzweifelte Hilferufe?
"Es wird was passieren, und sie werden bereuen, wie sie uns behandeln. Hier könnt ihr mitmachen, wenn ihr weiblich seid: #IsarChallenge.“
Ganze zehn Tage haben Obalski und ihre Kollegen im LKA Zeit, die sich abzeichnende Katastrophe zu verhindern. Dafür spielt Susanne Kaiser mit allen Kunstgriffen des Genres: Maulwürfe im LKA, Leaks an die Presse, das Leben als verdeckte Ermittlerin, die privaten Konflikte, die nebenbei auch noch bewältigt werden wollen. Kaiser verbindet ganz unterschiedliche Themen auf eine Weise, die jeglichen Voraussagen über die zukünftige Handlung knallhart eine Abfuhr erteilt. Plot Twists beherrscht sie nämlich ebenso gut wie die ganz beiläufige Schilderung gesellschaftlicher Krisenherde. So verknüpft sie einen Ausflug in die Welt der Reichsbürger gekonnt mit einem Crash-Kurs in Sachen Aufmerksamkeitsökonomie im Internet. Im Mittelpunkt aber steht die Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt in der Mitte der Gesellschaft – und die Frage, wie weit Opfer erlittener Gewalt gehen dürfen, bevor sie selbst zu Tätern werden.

Obalski, die bei weitem nicht immer alles im Griff hat, sondern auch Niederlagen einstecken muss, soll demnächst in ihren nächsten Fall geschickt werden. Die Messlatte liegt hoch.